Gefühle aushalten und verstehen lernen
Gefühle – ob Freude, Angst, Traurigkeit oder Wut – sind ein fester Bestandteil des menschlichen Erlebens. Manchmal sind sie überwältigend und scheinen uns völlig zu vereinnahmen. Doch es ist möglich, zu lernen, diese intensiven Emotionen auszuhalten und zu verstehen. Das bedeutet nicht, sie zu verdrängen oder zu ignorieren, sondern bewusst mit ihnen umzugehen. Gefühle haben eine natürliche Dynamik – sie kommen, erreichen einen Höhepunkt und klingen schließlich wieder ab. Es gleicht einer Welle, die uns zunächst mitreißt, dann aber von selbst abflacht, wenn wir nicht gegen sie ankämpfen.
Die Natur von Emotionen verstehen
Jedes Gefühl, besonders intensive Emotionen oder Ängste, hat einen Höhepunkt. Dieser Höhepunkt kann sich wie ein Moment der Unkontrollierbarkeit anfühlen, aber er hält in der Regel nicht länger als 10 bis 30 Minuten an. Danach beginnt das Gefühl, von selbst wieder abzunehmen. Diese Dynamik zu verstehen, ist der erste Schritt. Das Wissen, dass jedes starke Gefühl temporär ist und wieder abklingt, kann helfen, diese intensiven Momente besser auszuhalten.
Es geht darum, die emotionale Welle bewusst zu durchleben, ohne ihr auszuweichen oder sie zu unterdrücken. Wenn ein starkes Gefühl hochkommt, hilft es, sich darauf einzulassen, anstatt dagegen anzukämpfen. Indem man sich erinnert, dass der emotionale Sturm irgendwann vorübergeht, entsteht eine Art inneres „Licht am Ende des Tunnels“. Man weiß, dass dieser Moment nur eine Phase ist, die überstanden werden kann. Das gibt dem Gefühl einen Rahmen und macht es erträglicher.
Schritt für Schritt in die Emotion eintauchen
Um sich an diese Praxis zu gewöhnen, kann es hilfreich sein, sich nicht nur in Notsituationen, sondern auch bewusst in ruhigen Momenten mit den eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen. Anstatt zu warten, bis die Emotionen überhandnehmen, kann man sich gezielt „kleinen Wellen“ von Gefühlen oder Ängsten stellen. So nähert man sich langsam an und gewöhnt den Körper und Geist daran, dass Gefühle zwar intensiv, aber nicht bedrohlich sind.
Der Vorteil dabei: Da man bewusst entscheidet, in das Gefühl zu gehen, fällt es leichter, die Situation zu kontrollieren und zu beobachten, was passiert. Man durchlebt den Moment nicht passiv, sondern aktiv, was die emotionale Reaktion abschwächt und mit der Zeit mehr Sicherheit im Umgang mit intensiven Gefühlen vermittelt. Dieses „kleine Schürfen“ nach und nach hilft, sich Schritt für Schritt tiefer in die Emotionen hineinzuarbeiten, anstatt mit einem Vorschlaghammer auf die Gefühle loszugehen. So wird das Durchleben der Gefühle zu einem achtsamen und bewussten Prozess.
Den Körper und Geist neu trainieren
Je öfter man diese Methode anwendet, desto mehr gewöhnt sich der Körper daran, dass nichts Schlimmes passiert, wenn man in Gefühle eintaucht. Die Intensität der Angst oder der emotionalen Reaktion nimmt ab, weil der Körper lernt, dass die Emotionen keine Bedrohung darstellen, sondern einfach nur Wellen sind, die kommen und gehen. Nach und nach wird es einfacher, diese Wellen auszuhalten, da das Vertrauen entsteht, dass jedes Gefühl irgendwann abebbt.
Gefühle auszuhalten ist eine Kunst, die man erlernen kann. Es geht nicht darum, Emotionen zu unterdrücken oder zu bekämpfen, sondern sie bewusst zu durchleben und zu akzeptieren, dass sie temporär sind. Indem man sich Schritt für Schritt in Gefühle hineinbegibt, lernt man, die Intensität zu ertragen und irgendwann sogar zu verstehen. So kann man tiefer in sich selbst eintauchen und jene Emotionen erreichen, die bisher blockiert oder verborgen waren. Der Schlüssel liegt darin, geduldig zu sein und sich selbst Zeit zu geben, diese Praxis zu entwickeln.